Wie viel Training ist gesund?

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Kaum ein anderes Lebewesen ist in der Lage, gleichzeitig so viele unterschiedliche Bewegungsformen zu entfalten und zu beherrschen wie der Mensch. Welches andere Säugetier kann schon von sich behaupten, tagelang Laufen, aber auch Schwimmen zu können, welches kann gewandt Klettern und minutenlang ohne Sauerstoff unter Wasser tauchen? Der menschliche Körper kann das alles, unterliegt jedoch der Notwendigkeit, ständig bewegt zu werden, wenn diese Bewegungskompetenzen erhalten werden wollen. Wir müssen also aktiv bleiben, um gesund zu bleiben. 

Es stellt sich jedoch die Frage, welche Art und wie viel Bewegung, Training und Herausforderung notwendig ist, um gesund, fit und jung zu bleiben. Gibt es Minimalvorgaben? Wann ist unsere Bewegungspotential erschöpft? Reagieren alle Menschen gleich auf Trainingsreize oder gibt es Unterschiede in der Belastbarkeit?

Was ist Training überhaupt?

Zunächst gilt es zu klären was man unter sportlichem Training überhaupt versteht, denn nicht jede Form der Bewegung bedeutet auch Training im sportwissenschaftlichen Sinn.

Unter körperlicher Aktivität versteht man jede Form körperlicher Bewegung durch aktive und willentliche Muskeltätigkeit mit dem daraus resultierenden Energieverbrauch. Somit ist das Arbeiten im eigenen Garten genauso wie der gelegentliche Sparziergang am Wochenende zwar körperliche Aktivität, kann aber noch nicht als Training verstanden werden, da einige wichtige Unterscheidungsmerkmale zum gezielten Training fehlen.

Körperliches Training ist umfangreicher als die körperliche Aktivität, da es ein langfristig geplanter, regelmäßiger und strukturierter Prozess ist, dessen Ziel der Erhalt bzw. die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist. Wer beispielsweise dreimal wöchentlich eine Laufeinheit mit genau definierten Parametern (Puls, Zeit, Streckenlänge, Trainingsmethode) mit der Zielsetzung absolviert, auf eine bestimmte Laufdistanz um 5 Minuten schneller zu werden, absolviert ein Lauf-Training. Der Unterschied zum Gelegenheitsläufer (körperliche Aktivität) ist also die Strukturierung und genaue Zieldefinition des Laufens.

Das heißt, um vom Training zu sprechen ist es weniger wichtig was wir machen, sondern wie wir es machen – vor allem regelmäßig und mit einem Leistungsgedanken im Hintergrund.

Individuelle Voraussetzungen

Oberflächlich betrachtet sind wir alle gleich gebaut, und dennoch tickt jeder etwas anders. Kein Mensch funktioniert gleich, jeder Stoffwechsel hat seine Eigenheiten, jeder Bewegungsapparat seine Stärken und Schwächen. Genau darauf ist zu achten, wenn man in einen sportlichen Trainingsprozess einsteigt, egal ob im Amateurbereich oder auf professioneller Leistungsebene.

Weil jeder seine biologischen, hormonellen, neuronalen und funktionellen Eigenheiten hat, ist Training stets eine persönliche und individuelle Angelegenheit.

Man darf dabei nicht vergessen, dass vor allem die Regenerationsfähigkeit von Person zu Person unterschiedlich ausfällt und in gewissen Maße auch vom (angeborenen) Körpertyp abhängig ist. Es gibt Personen, welche zu einer sehr schnellen Regeneration nach Belastungen neigen und aufgrund ihrer Muskelfaser-Zusammensetzung vor allem für Ausdauersportarten prädestiniert sind. Solche Personen können durchaus öfter und auch intensiver belastet (= trainiert) werden. Andere Menschen sind muskulöser gebaut, können aber auch zu leichterem Fettansatz neigen. Diese Personen sollten vor allem längere Erholungszeiten zwischen ihren Trainingseinheiten einlegen und diese auch möglichst aktiv nutzen, um ungewolltes Fettgewebe abzubauen. Bei manchen Sportlern lassen die angeborenen Voraussetzungen zum Beispiel seltener Ausdauersport auf höchstem Leistungsniveau zu. Sie können aber durchaus talentierte und erfolgreiche Kraftsportler werden, wenn sie richtig trainieren und auch auf die Ernährung achten.

Wie man also sieht, führen unterschiedliche Körperzusammensetzungen, sowie verschiedenen Gelenk- und Knochenstrukturen zu unterschiedlichen Voraussetzungen für Trainingsbelastungen und den dazu notwendigen Erholungszeiten. Die körperlichen Anpassungen an den Trainingsreiz erfolgen nämlich nicht während des Trainings, sondern während der Erholungsphase. Demnach ist es also wichtig, diese nicht vorzeitig durch ein Folgetraining zu unterbrechen und somit dem Leistungsprozess zu schaden.

Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass unterschiedliche Körperstrukturen unterschiedlich auf Training reagieren und sich deren Regenerationszeiträume variieren.

Wer schon einmal einen Muskelkater erleben durfte weiß, dass meist nach drei bis vier Tagen die Muskulatur wiederhergestellt und für das nächste Training einsatzbereit ist. Ganz anders verhält es sich jedoch mit den Sehnen, welche die Muskeln am Knochengerüst des passiven Bewegungsapparates befestigen. Diese reagieren viel sensibler auf Trainingsreize und fordern auch längeren Erholungsphasen ein. Wird deren Erholungsbedarf regelmäßig ignoriert, kann es zu schmerzhaften Entzündungen oder Rupturen (Rissen bzw. Einrissen) kommen. Auch wenn sich die Muskulatur wieder einsatzbereit anfühlt, ihre Sehnen sind es dann meist noch nicht!

Ähnlich verhält es sich mit Bändern und Gelenkkapseln, welche dazu dienen Gelenke zu stützen und zu führen. Verletzungen dieser Strukturen sind schmerzhaft und der Heilungsprozess langwierig. Oftmals ist eine komplette Heilung sogar unmöglich, sodass mit gewissen dauerhaften Einschränkungen gerechnet werden muss.

Ist die Trainingsbelastung mittel- bis langfristig zu hoch, kann dies auch dem Knochengerüst schaden. Damit Muskulatur arbeiten (= kontrahieren) kann, benötigt sie unter anderem Kalzium. Werden Muskeln über längere Zeiträume überbeansprucht, benötigen sie deutlich mehr Kalzium, welches der Körper zu diesem Zweck unter anderem aus den Knochen abbaut. Diese sogenannte Demineralisierung der Knochen führt in weiterer Folge zu Stabilitätsverlusten selbiger, welche dann in sogenannten Ermüdungsbrüchen enden können. Ein klarer Hinweis auf Übertraining!

Andererseits passt sich jeder Körper an regelmäßiges Training an, sodass er lernt, sich schneller zu erholen und die über die Nahrung aufgenommenen Nährstoffe besser zu verwerten. Dies führt dazu, dass wir durch regelmäßiges Training belastbarer werden und daher sogar mehr Training benötigen, nur um den aktuellen Leistungsstand zu erhalten.

Sportart und Zielsetzung

Das Trainingspensum hängt natürlich nicht nur von körperlichen Voraussetzungen ab, sondern auch von der Sportart und natürlich von der Zielsetzung im Leistungsprozess. Somit spielt auch der Kopf eine entscheidende Rolle. Wenn die Motivation hoch ist, weil man sich Ziele gesetzt hat, die schlüssig sind und erreichbar erscheinen, fällt das Training nicht nur leichter, sondern es erfolgt auch mit mehr Konzentration und mehr Hingabe. Dies alleine kann schon enorme Energiereserven mobilisieren und ein umfangreicheres und härteres Training ermöglichen.

Die Sportart bzw. die Disziplin, in welcher trainiert wird, definiert des Weiteren, welche Körperteile mehr oder weniger beansprucht werden. Bei den meisten Ausdauersportarten wie beispielsweise Langstreckenlaufen, Ski-Langlauf oder Triathlon werden vor allem die unteren Extremitäten, die Hüften und die Lendenwirbelsäule übermäßig beansprucht. Es gilt so zu trainieren, dass es zu keinen vorzeitigen Abnützungserscheinungen kommt. Vor allem die Knorpel in Knie- und Sprunggelenke können hier quasi das schwächste Glied der Kette darstellen. Das Trainingspensum ist also so zu dosieren, dass es zu keinen Schmerzempfindungen vor, während oder nach dem Training kommen kann. Da diese Belastbarkeit bei jeder Person unterschiedlich ausfällt, gilt es sich langsam und kontinuierlich zu steigern, sodass dem Körper genügend Zeit für Trainingsanpassungen gegeben werden.

Anders verhält es sich beispielsweise bei Schlagsportarten wie Tennis, Golf oder Hockey. Hier wird vor allem der Oberkörper sehr einseitig und stark beansprucht, weil das Spielgerät (Schläger) stets in die gleiche Richtung geschlagen wird. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Gelenke des Schultergürtels und der Wirbelsäule zu schützen, um Überlastungsschäden zu vermeiden.

Egal welche Sportart ausgeführt wird, es ist stets notwendig die richtige Ausgleichsgymnastik ins Training einzubauen, damit Verletzungen vermieden werden. Dabei hilft natürlich am besten ein ausgebildeter Trainer!

  

Wieviel Bewegung und wieviel Training verträglich sind, muss jeder für sich herausfinden, indem man in kleinen Schritten Dauer, Umfang und Intensität der körperlichen Leistung erhöht. Viele Vereine, Gemeinden und öffentliche Einrichtungen bieten meist kostengünstige Möglichkeiten, unter professioneller Anleitung seinen Körper in Schuss zu bringen und zu halten. Nützen Sie dieses reichhaltige Angebot wie ein Buffet für ihre Gesundheit. Ihr Körper wird sich binnen kürzester Zeit erkenntlich zeigen.

Erschienen in Kneipp Bewegt 6/2018