Stand up paddling im Winter

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Skifahren, Skilanglauf und Schlittschuh fahren zählen seit Generationen zu den klassischen Wintersportarten und gerade in unseren mitteleuropäischen Breiten ist es kaum denkbar, den Winter am Wasser zu verbringen. In der Regel ist die Paddelsaison bei halbwegs guten Wetterbedingungen maximal acht Monate lang (März bis November), den Rest des Jahres könnten wir SUPer also nur in wärmeren Gefilden verbringen, oder uns SUP-Videos auf Youtube ansehen, während wir auf den Frühling warten. Theoretisch, denn praktisch ist der Sport auch im Winter möglich, zumal uns dabei etliche Trends gut gelegen kommen. 

Zunächst ist jedem schon aufgefallen, dass viele stehenden Gewässer nur mehr schwer bis gar nicht zufrieren. Das gibt uns Paddlern eine enorme Vielfalt an unberührten Paddelrevieren ohne Schifffahrt und Badegäste. Zudem finden immer mehr Leute Spaß daran, ihr Immunsystem durch Eisbaden zu verbessern. Wassersport und Kälte sind kein Widerspruch mehr und es ist durchaus denkbar eine winterliche SUP-Runde mit einem Eisbad ausklingen zu lassen (Wim Hof lässt grüßen!). Außerdem wird das Equipment – allen voran die Bekleidung – immer wintertauglicher, sodass man auch in der kalten Jahreszeit keine Angst vor Wasserlandungen haben muss.

Faszination Winter-SUP

Wer auch im Winter auf sein Board steigen will, muss seine Komfortzone verlassen, denn Kälte allein ist für viele von uns schon unangenehm, aber in Kombination mit Wasser potenziert sich das Unbehagen. Jedoch liegt genau im Verlassen dieser Komfortzone und dem Überwinden der eigenen Grenzen ein Teil der Faszination Winter-SUP versteckt. Das spiegelglatte Wasser, die absolute Stille und das Paddeln durch verträumte Schneelandschaften ist mit nichts zu vergleichen und kann für viele Paddler einen gewünschten Gegenpol zu heißen, welligen und mitunter hektischen Sommerrunden darstellen. Wenn die kühle Luft um die Wangen streift und der Wasserdampf beim Ausatmen in die Luft gestoßen wird, merkt man erst wie gut man abschalten kann und wie lebendig man ist. Winterpaddeln ist in vielerlei Hinsicht nicht nur eine kleine Herausforderung, sondern auch eine Möglichkeit innerlich zur Ruhe zu kommen. 

Rein technisch gesehen gibt es keine Unterschiede zwischen dem Paddeln im Sommer und dem Paddeln im Winter. Allerdings sollten die Touren im Winter tendenziell kürzer angelegt sein, weil der Körper mehr Energie aufwenden muss, um auf Betriebstemperatur zu bleiben. Das kann mitunter zu Lasten der Paddellleistung gehen, weil Kraft und Ausdauer schneller erschöpfen. Damit der Spaßfaktor auch im Winter hoch bleibt, muss man vor allem die Ausrüstung anpassen. 

Da der Körper unter Kälteeinfluss versucht alle Vitalfunktionen zu erhalten, konzentriert er all seine Energie auf den Körperkern (also den Rumpf) und vernachlässigt dabei den Kopf und die Extremitäten. Diese werden weniger durchblutet, um in Gegenzug die Körperkerntemperatur konstant zu halten. Nur geringe Temperaturabweichungen nach unten könnten fatale Folgen haben. Daher werden am SUP vor allem die Finger- und Zehenspitzen schnell kalt, wenn man sie nicht optimal versorgt. Allerdings ist es meine Erfahrung, dass vor allem der Kopf und die Fingerspitzen bei halbwegs zügigem Tempo spätestens nach 10 bis 15 Minuten auftauen und keine weiteren Probleme bereiten, solange man in Bewegung bleibt und damit für ausreichende Blutzirkulation sorgt. Dem Schutz der Füße ist im Winter wohl das größte Augenmerk zu schenken, da sie am schnellsten abkühlen.

Die Bekleidung ist Typsache

Mittlerweile gibt es eine enorme Auswahl an Bekleidungsmöglichkeiten für die kalte Jahreszeit und jeder Paddler kann gemäß seiner Vorlieben unterschiedliche Strategien verfolgen, um Kälte, Nässe und Wind Chill Effekt im Zaum zu halten. Grundsätzlich geben die eigene Standsicherheit am Brett, die Wetterverhältnisse und die Charakteristika des Reviers den Ausschlag darüber, wie man sich optimal schützt. Wer hin und wieder mal vom Brett fällt sollte vor allem auf wasserabweisende Bekleidung achten, hingegen können standsichere Paddler gerne etwas lockerer bekleidet sein. 

Die Kopfbedeckung ist wichtig, da über den Kopf sehr viel Wärme abgeleitet wird. Wollhauben sind zwar nicht wasserabweisend, ermöglichen jedoch eine deutlich bessere Luftzirkulation und beugen Hitzestaus vor. Die besten Eigenschaften weisen dabei Naturfasern (echte Baumwolle) auf. Auf der anderen Seite des Spektrums findet man Neoprenmützen, welche zwar vor Wasser schützen, aber beengend anliegen und Hitzestau verursachen können. Die ein bis zwei Millimeter dicken Neoprenmützen könne durchaus praktisch sein, deren Komfort und Sitzfestigkeit hängen jedoch auch vom Haarvolumen bzw. der Frisur ab. Die goldene Mitte bildet bei moderaten Wintertemperaturen der Buff. Dieser röhrenförmige elastische Schal kann auch sehr gut als Kopfbedeckung über Stirne und Ohren gezogen werden und hält damit diese kälteempfindlichen Körperteile warm, während der Kopf noch immer genügend Wärme abführen kann, ohne dabei auszukühlen. Bei extremer Kälte bzw. Bei Wind kann der Buff aber auch über Nase und Mund gezogen werden, um die Atemwege zu schonen. 

Die Hände sind meinst kritischer als der Kopf, da die Fingerspitzen sehr schnell abkühlen und ein Weiterpaddeln unmöglich machen können. Um die Blutzirkulation und damit die Wärmeleistung in den Händen aufrecht zu halten ist es wichtig genügend Beweglichkeit in den Fingern und Unterarmen zu haben. Dies wird in erster Linie durch Handschuhe besser gewährleistet als durch Fäustlinge. Neoprenhandschuhe sollten daher nicht zu dick sein und ausreichend Bewegungsfreiheit ermöglichen. Dies ist auch wichtig, um in unvorhergesehenen Situationen das Paddel richtig hantieren zu können und nicht ins Wasser zu fallen. Nachteilig ist jedoch, dass Neoprenhandschuhe keine nennenswerten Lufteinschlüsse ermöglichen, und die Finger im Vergleich zu gewöhnlichen Handschuhen, die lockerer anliegen, schneller auskühlen können. Weiters besteht die Möglichkeit dünne Neoprenhandschuhe mit dünnen normalen Handschuhen zu kombinieren.

Fäustlinge gibt es auch in Neoprenausführung und haben den Vorteil, dass alle vier Finger in einer gemeinsamen Kammer mit Lufteinschluss gegenseitig gewärmt und isoliert bleiben. Abstriche muss man hingegen bei der Beweglichkeit der Greiforgane hinnehmen. Wer nicht bei extremsten Temperaturen (unter 5° C) paddeln geht, ist in der Regel mit gewöhnlichen Handschuhen gut ausgestattet, zumal bei entsprechendem Tempo die Arme und Hände binnen Minuten angenehm warm werden und dies durch die warme Luft zwischen Handschuh und Hand auch bleiben. Dazu ist es sinnvoll, gerade am Beginn der Tour die Finger möglichst viel zu bewegen (Griff lockern und wieder schließen) bis die Temperatur passt.

Noch empfindlicher als Kopf und Hände sind die Füße. Dies ist naheliegend zumal diese am ehesten Kontakt zum Wasser haben und zeitgleich am wenigsten bewegt werden. Ein einfacher Trick vorweg: in Sportschuhen mit erhöhtem Profil (z.B. Trekkingschuhe) kann man sich schon mal deutlich von der feuchten Standfläche an Board abheben und bietet dem Wasser weniger Angriffsfläche. Feuchtigkeit kann damit nicht mehr so leicht auf die Füße treffen. Die weiteren Möglichkeiten, Kälte und Wasser von den Füßen fernzuhalten sind umfassend und lassen sich beinahe beliebig kombinieren. Ob Neoprenschuhe, -socken, oder -füßlinge, sie alle  wirken wasserabweisend und sind vor allem bei unruhigem Wasser ein Segen. Wer Neoprenschuhe tragen möchte, kann darunter auch Funktionssocken aus Merinowolle anlegen. Je dicker die Sohle, bzw. der Abstand der Füße zum Board, desto länger kann man seine Füße warm halten. Aber spätestens nach zwei Stunden kommt meist der Punkt, an dem die Zehenspitzen deutlich abkühlen. Am besten, man experimentiert mit den verfügbare Fußbekleidungen und entscheidet sich für die präferierte Kombination. Sobald es dann wirklich kalt wird, heißt es Zehen bewegen und die Tour bei nächster Gelegenheit zu Ende führen.

Natürlich muss auch der restliche Körper im Winter gut geschützt werden, denn ein Sturz ins Wasser kann nicht nur unangenehm sein, sondern auch einen Schock hervorrufen. Es gilt, die eigenen Fähigkeiten mit dem Wetter und den Wasserverhältnissen in Einklang zu bringen. Wer sicher am Board steht, kann bereits mit Ski- bzw. Funktionsunterwäsche und winterfester Kleidung sein Auslangen finden. Obwohl das Tragen von Neoprenanzügen für viele Paddler ein No-Go ist, kann er gerade bei Winterrookies sehr wertvoll sein. Wer mit einem fünf Millimeter dicken Neo unterwegs ist, braucht sich garantiert nicht vor Wasserlandungen fürchten. Allerdings schränken die Ganzkörperanzüge auch die Beweglichkeit etwas ein und es wird darin sehr schnell warm. Optional kann man darüber noch lockere Kleidung tragen. Der Klassiker ist und bleibt aber der Trockenanzug, sofern er wasserdicht abschließt und eine hochwertige Ausführung aufweist. Hiermit ist man nicht nur deutlich beweglicher als im Neo, sondern erfährt – gepaart mit der richtigen Funktionsunterwäsche – auch einen optimalen Luftaustausch. Anders als bei der Kopfbedeckung, sollte unter dem Drysuit keine Baumwolle getragen werden, da sie den Schweiß speichert, statt ihn abzugeben.

Safety First

Neben der wintergerechten Bekleidung sollten in der kalten Jahreszeit noch folgende Dinge mitgeführt werden: 

  • Wasserdicht verpacktes Mobiltelefon
  • Restube Rettungsboje
  • Handtuch
  • Leash verwenden
  • Wechselkleidung (zumindest für nach der Tour)
  • Ausreichend Wasser
  • Sonnenbrille (Schneereflexion)
  • Nach Möglichkeit helle und farbige Kleidung tragen (zwecks Sichtbarkeit in Notsituationen)

Zudem gilt es wichtige Sicherheitshinweise zu beachten: 

Vor der Tour steht eine Tourenplanung und ein Wettercheck an. Gerade in unbekannten Revieren sollte man sich vorab mit möglichen Ein- und Ausstiegsstellen, Gefahren und der Topographie auseinandersetzen. 

Am sichersten ist es, immer in Ufernähe zu paddeln und größere Überquerungen zu meiden. Generell sollten im Winter nur stehende Gewässer befahren werden. Wenn man auf fließenden Gewässern der Lage ist, gegen den Strom zu paddeln, ist das für erfahrene Paddler auch noch in Ordnung. 

Wenn möglich, bitte in der Gruppe paddeln, damit immer jemand da ist, wenn etwas schiefgeht. Wer dennoch alleine in See stechen möchte, sollte einem nahestehenden Menschen ein Zeitfenster geben, bis wann man wieder zurück sein sollte und telefonisch erreichbar sein. 

Eisflächen bzw. Eisschollen können gefährlich werden, weil man daran leicht anstoßen und zu Sturz kommen kann. Bleibt man mit der Finne daran hängen, kann die Flugeinlage nach vorne nicht nur nass und kalt, sondern auch hart enden. 

Gerade bei kaltem Wetter ist es umso wichtiger, sich vor dem Paddeln gut aufzuwärmen, denn dies fördert die Beweglickeit und die Koordination auf dem Brett und beugt dem frühzeitigen Auskühlen der Extremitäten vor. Idealerweise läuft man sich ein paar Minuten ein (gerne auch am Stand) und bewegt dabei aktiv die Arme, Hände und Finger. Leichte Fußgymnastik kann dabei helfen, die Zehen auf Temperatur zu bringen.

Auch wenn SUPen im Winter nach mehr Planung und mehr Sicherheitsvorkehrungen verlangt, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, wie einzigartig es ist zur Skisaison aufs Wasser zu gehen. Mit der richtigen Vorbereitung kann jeder Paddler die Sommersaison beliebig verlängern, statt sein geliebtes Sportgerät monatelang im Keller weg zu sperren. Und wer die kalte Jahreszeit sowieso genießt, kann seine Tour mit einem erfrischenden Eisbad beenden. Beides weckt die Lebensgeister und verkürzt das Warten auf den nächsten Sommer.